Am Grünen See
Gestern habe ich zum Arbeiten mein Atelier verlassen und bin für einen Tag an den Grünen See gefahren. In Zeiten der Covid-19 Pandemie bin ich immer seltener unterwegs, doch gestern zog es mich trotz Kälte hinaus. Seit mehr als zwanzig Jahren ist dder Walensee für mich Inspiration. Das Ufer unterhalb der Felsen, die auf dem Foto zu sehen sind, war für viele Jahre Ort für Meditation und Rückzug, auch fürs Schreiben. Ich wollte den Ort wieder aufsuchen, um zu spüren, zu ertasten und zu überlegen, ob ich zur Fertigstellung des dritten Romans der Trilogie vielleicht wieder einige Zeit in Quinten verbringen sollte.
Auch heute wieder kam der Moment von „einfach SCHÖN“!“ Auf der Überfahrt von Murg nach Quinten. Vom Fährschiff gestiegen bin ich in Au. Dort ist noch immer der einzig verwüstet wirkende Ort an diesem Ufer. Dort, wo früher das alte Landgasthaus stand, das abbrannte, weiden Geissen auf dürrem Grund.m Auch sind dort ehemalige und neue Anlegestellen für Boote, die Schiffstation. Ein Miniaturlaster für Wegarbeiten fuhr vom Schotter am Ufer hinauf für Arbeiten auf dem Wanderweg. An diesem Platz war ursprünglich das „Seehotel“ angesiedelt. Ich schaue, fotografiere, bemerke, dass das Ufer an dieser Stelle kleinräumig ist, sich erst weiter nördlich wieder öffnet, sich einen Hang hinaufzieht, Richtung Felsen, neue Bäume und Sträucher sind gewachsen.
Schon beim Gehen am anderen Ufer wurde ich wieder von der überwältigenden Anwesenheit von Fels und Wasser, dem Schutz, den ich dort empfinde. Auch die Freude an einem autofreien Ort zu sein, das Geräusch des Wassers und erste Grillen auf einem steilen und sonst noch fast grünlosen Weinberg.
Ich spürte die Nahrung der Felsengöttin, die ich schon länger vermisste.
Auf einem warmen Stein sitzend, im Windschatten eines größeren Felsen sitzend Mittagessen: Humus & ein Weggli. Phu Erh Tee aus der Thermoskanne.
Auf den See hinaus schauen, direkt auf Fels am Ufer sitzend. Das Geräusch des Wasser auf den Steinen – vertraut, doch auch ein Sehnsuchtstauchen in der Vergangenheit. Erinnerung an Zeiten, als ich früher hier schrieb. „Der Pilgerweg heim“ wurde in einer Hütte hier am See begonnen und zehrte von vielen Wochen des Aufenthalts am Felsufer – bereits in den Jahren davor. Mittlerweile bin ich mit meiner Arbeit aber auch als Person sesshaft geworden, zu Hause angekommen. Auch was meine Arbeit betrifft bin ich am Liebsten in meinem Atelier, ich muss nirgendwo hin, um den dritten Teil der Trilogie zu beenden. Trotzdem, das spüre ich an diesem Nachmittag mehrmals, sind einige Plätze Kraftorte für mich. So richtig bemerkte ich das erst in den Träumen der auf meinen Ausflug folgenden Nacht, als ich wieder zu Hause in Schongau war.
Während ich bei der Überfahrt mit dem Fährschiff die Hänge bis hinaus zu den Felsen betrachtete, die noch Schnee bedeckten Einschnitte, auf denen auch einige Bäume wachsen, vielleicht hinter Felsen kleine, fast unerreichbare Täler versteckt liegen, erinnerte ich mich, wie viel Inspiration und Kraft hier gefunden hatte. Ich habe diese Erfahrung angenommen und eine ideale, eine wunderbare Landschaft, vor allem im „Pilgerweg heim“ daraus gemacht. Eine wiedererzählte Landschaft voller Zeichen und Medizin. Diesen hier – den realen, sich über über wenige Kilometer hinstreckenden Hügeln unterhalb der Felsberge – fehlt der Zauber, die Magie, den sie in meinen Büchern haben. Und das ist auch gut so.
«Freundschaft Genossin» ist ein neuer Roman an dem ich schreibe. In diesem BLOG will ich mehrmals pro Monat über meine Arbeit am Text berichten.
15.04.2021