Blog
Archiv:
Karin Koppensteiner 22.08.2024 Allgemein, Literatur Keine Kommentare
Freundschaft Genossin! ist eine abstrakte Skulptur aus Wörtern und Leerschlägen. Nun liegt sie fest in einem Objekt, dem Buch. Wenn nicht jemand dieses Buch aufschlägt und zu lesen beginnt, ist diese Klang-Skulptur verschwunden, sind die Satzzeichen ohne Bedeutung, ist das Erzählte ein lebloser Traum, gedruckt auf Papier. Erst durch das Lesen entsteht das Leben der Zeichen.
Das neue Buch ist eine Liebeserklärung an die Welten-Träumer dieser Erde. Oder: Ein Gebilde aus Ideen, Ängsten, Glück, Wunsch & Sehnsucht, verwoben mit spiegelgleicher Realität?
Während das neue Buch seine Wege in die Welt findet und der Sommer langsam vergeht, hole ich Bücher aus einem Regal in meinem Büro, lege sie auf den Schreibtisch, sortiere. Welche Bücher von denen, die meine Arbeit an Freundschaft! beeinflusst haben, stelle ich ins Regal zurück? Welche bringe ich weg?
Hier unten sind Abbilder nur einiger der Bücher, die mich beim Schreiben von Freundschaft! besonders genährt haben und die bleiben. Andere werden bleiben, weil ich sie schon lange besitze und sie Teil meines Lebenstraums geworden sind.
Karin Koppensteiner 12.01.2022 Allgemein Keine Kommentare
Es begann etwa 1975. Als junge Filmstudentin in Westberlin lieh ich mir Bücher und Schallplatten in der Bibliothek aus. Als ich für meinen ersten Dokumentarfilm recherchierte, entdeckte ich in den Sommerferien in Wien die kühle Lesehalle der Österreichischen Nationalbibliothek. Ich verbrachte viele Wochen dort, mit Blick auf den Burggarten. Damals waren es noch Zettelkasten, nicht Computersuchmaschinen, mit denen ich Themen suchte und fand – und immer mehr! Ich benutzte damals die Schubladenschränkchen mit den Archivkarten auf denen Themen und Stichwörter aufgetippt waren. So fand ich Zugang zu den teils sehr alter Bücher, die, bestellt, jeweils am nächsten Tag für mich zum Lesen vor Ort bereit lagen. Ich glaube, damals habe ich mich zum ersten Mal «in den Büchern verloren». Anstatt, wie eigentlich geplant, kontinuierlich an dem Film-Projekt weiterzuarbeiten und zu schreiben, las ich tagelang, machte gelegentlich Notizen oder Fotokopien, kam von einem Thema zum nächsten.
In den letzten Winterwochen war mir etwas ganz Ähnliches passiert: «Freundschaft! Genossin», der dritte Band der Trilogie «Der Pilgerweg heim» spielt sich Grossteils in einem umzäunten Gemüsegarten ab. Dort werden Geschichten erzählt. Unterhalb jeder der Geschichten vibriert ein Thema.
Da eine meiner Leidenschaften die Erforschung der Pflanzenwelt ist, gelangte ich über die Lektüre von Büchern immer tiefer in das Phänomen Gaia, jene in sich selbst existierende natürliche Oberfläche unseres Planeten, die sich ständig regeneriert und neu hervorbringt. Im Grenzbereich zwischen Biologie und Philosophie fand ich mich an einem Tag in einer Abenddämmerung lesend wieder, schaute auf, und dachte: «Jetzt hab’ ich mich bald überlesen» – und es fühlte sich ein klein wenig so an, wie zu viel Sachertorte auf einmal gegessen zu haben – Moment der Überfülle! Ideen anderer, Wörter in verschiedenen Sprachen, Hinweise, Zitate von Texten aus anderen Jahrtausenden. Lynn Margulis, Timothy Morton, Emanuele Coccia, Philosophie, Evolution, Pflanzenleben, Bakterien, Fashion Changers – das Gebiet ist breit und dehnt sich in alle Richtungen weit aus
Ein kleines Lob auf das «Objekt Buch» will ich hier noch anfügen. Bücher haben mich mein ganzes Leben begleitet. Oft fand ich entscheidende Hinweise auf Lebensfragen in Büchern. Aber auch im Gespräch mit belesenen Menschen sind mir neue Fenster aufgegangen. Ich habe nie zum elektronischen Buch gewechselt. Den Luxus, meine Zeit mit einem Buch – oder einem Stapel Büchern – einer Teekanne und einer Tasse Tee an einem Wintertag lesend (und auch Notizen machend) zu verbringen, möchte ich in meinem Alltag nicht missen.
Ich höre oft das Argument, man hätte doch immer weniger Zeit zum Lesen. Lesen ist für mich eine Gewohnheit, die ich aufgeben und mir auch wieder angewöhnen kann. Etwas weniger Zeit für etwas anderes aufgewendet, bedeutet dann, eine halbe Stunde lesend, mit einem Buch, zu verbringen. Mache ich das täglich, ist es nach einigen Tagen keine Frage mehr, ob ich eine Stunde Zeit zum Lesen finde.
Einige der Bücher, die ich in den letzten Wochen und Monaten gelesen, oder teilweise gelesen habe, zeigen die Fotos. Diejenigen des Philosophen Byung-Chul Han und «Interbeing» von Thich Nhat Han fehlen hier, sie habe ich schon in älteren Blogbeiträgen vorgestellt. Nun werde ich wieder mehr schreiben.
ÜBRIGENS: unterhalb dieses Blogbeitrags befindet sich der unterstrichene Text: Vorheriger Artikel. Draufgedrückt – geht es rückwärts ins Archiv der Blog-Beiträge bis hin zum allerersten – Anfang Januar 2015.
Karin Koppensteiner 29.11.2021 Allgemein Keine Kommentare
«Ohne Resonanz ist man auf sich selbst zurückgeworfen und für sich isoliert. Der zunehmende Narzissmus wirkt der Resonanzerfahrung entgegen. Die Resonanz ist kein Echo des Selbst. Ihr wohnt eine Dimension des Anderen inne. Sie bedeutet Zusammenklang. Depression entsteht am Nullpunkt der Resonanz. Die heutige Krise der Gemeinschaft ist eine Resonanzkrise. Die digitale Kommunikation besteht aus Echokammern, in denen man in erster Linie sich selbst sprechen hört. Likes, Friends and Follower bilden keinen Resonanzboden. Sie verstärken nur das Echo des Selbst.» (Seite 19/20) BYUNG-CHUL HAN «VOM VERSCHWINDEN DER RITUALE», Original Deutsch, bei Ulstein, 2019
Dieses Zitat habe ich einem der drei Bücher von Byung-Chul Han entnommen, die ich in den letzten Wochen gelesen habe. Es hat mir geholfen, meine Kunstarbeit neu einzuordnen – in die Welt der alltäglichen Ereignisse. Verliere ich dieses Gefühl des Verbunden-Seins mit den Ereignissen, mit der Welt, kann auch die Transformation nicht stattfinden, die in der Kunstarbeit für mich so unentbehrlich ist.
Dann kann es geschehen, und ist mir schon passiert – dass ich in einer schicken Geschichte feststecke, von der ich denke, dass da schon so viel Arbeit drinsteckt, dass ich die Geschichte schon irgendwie hinbiegen kann. Es war mir wieder passiert, in den letzten Wochen. Spät erkannte ich, dass ich nicht mehr mitschwinge, mit dem, was ich schreibe, dass es Zeit für eine kreative Pause war, dass ich schon lange nicht mehr in Resonanz mit der Welt geschwungen hatte. Wir haben auch Covid-19 Krise, es ist nicht so einfach entspannt zu schwingen….
Dieser Tage fand ich mich langsam wieder im Schreiben ein, an meinem Arbeitsplatz, im umgebauten Bienenhaus. Es ist Spätherbst, der erste Schnee ist gefallen. Nachdem ich die letzte Version des Romans «Freundschaft Genossin» definitiv verworfen hatte, – endlich! – bin ich wieder neugierig geworden. Energie und Freude am Arbeiten sind zurück. Wieder einmal habe ich erfahren, dass im Schaffensprozess auch die Krisen nicht ausgespart werden können. Ich erinnere mich, wie es diesmal begonnen hatte: Im Sommer noch schrieb ich tagelang einige Kapitel um, die mir eigentlich nicht mehr gefielen. Ich empfand es so, als wäre ich aus diesen Texten herausgewachsen. Oder auch so, als wäre ich mit einigen Teilen der Geschichte in die falsche Richtung gegangen. «Kopfgeburten» nenne ich das, wenn das Herz beim Arbeiten nicht mehr im Gleichklang mit dem Tun ist, wenn mein eigenes Schreiben mich nicht mehr zu überzeugen vermag. Krisen sind Teil des Wachstumsprozesses, ein Teil der schöpferischen Arbeit. Das klingt gut, aber in Wirklichkeit steckte ich fest.
Wie gerufen kamen «andere wichtige Dinge» zwischen mich und mein Schreib-Projekt «Freundschaft Genossin». Als ich drei Monate später wieder zur Schreibarbeit zurückkehrte, war ich am ersten Tag im Büro, anstatt neugierig und aufmerksam, sehr schlecht gelaunt. «Sehr verstimmt» gibt den Zustand vielleicht am besten wieder. Als ich in mich hineinspürte musste ich zugeben: Ich war schon seit einiger Zeit nicht mehr in Ressonanz mit mir selbst gewesen. Aber: die Schwierigkeit erkennen ist eines, aus der Sackgasse wieder herauskommen das andere. Ich konnte nicht mehr in die alte Schreibspur zurück. Es war Zeit zum Aufmerken, Innehalten. Bücher anderer Autoren zu lesen hilft; Zeit zur Ruhe zu kommen, keine einzige neue Verpflichtung mehr einzugehen ist Voraussetzung für einen guten Neuanfang.
«Warten wie eine Jägerin auf Worttiere» ist mir als Bild dazu eingefallen.
Sie kamen, pelzig, geheimnisvoll, unaufdringlich, sie wurden auf friedliche Art eingefangen. Manche wurden gezähmt, manche blieben wild. So wie ein Wort der dunklen Nacht: «Lichtwurf».
Lichtwurf
«Freundschaft Genossin» ist ein neuer Roman an dem ich schreibe. In diesem BLOG berichte ich über die Arbeit am Text.
Karin Koppensteiner 23.10.2021 Allgemein Keine Kommentare
Ablenkung
Lange Zeit ist vergangen, seit dem letzten Blog-Beitrag.
Ich hatte mich, und das nicht zum ersten Mal, vom Schreiben als Alltagsarbeit abgelenkt. Das Sich-Einfinden bei den Erzählungen, an denen ich arbeite, ist ein feiner Prozess. Seit vielen Jahren beobachte ich immer wieder wie aus einer fast zufälligen oder auch geplanten Ablenkung von der Schreibarbeit – zum Beispiel einer Projektarbeit, einem Auftrag, um etwas Geld zu verdienen, einem freiwilligen Arbeitseinsatz zum Wohl anderer, etcetera – zur «Schreibfalle» wird. Ich verliere die Kontinuität des Schreibens und damit auch, ganz langsam, die Selbstsicherheit, die sich mit diesem alltäglichen Schreiben einstellt. Zwischen drei bis fünf Stunden schreibe ich täglich, wenn ich im Fluss der Geschichte und motiviert bin.
Selbstzweifel
Selbstzweifel stellen sich manchmal ein, wenn ich mehr als einen Monat meine Arbeit unterbrochen habe. Ich habe dann im wahrsten Wortsinn den Faden verloren, aus dem das feine Gewebe einer Geschichte entsteht.
Diesmal waren es eine wunderbare Bergreise, Ferien, gefolgt von einem Freiwilligeneinsatz im buddhistischen Ambiente, die mich mehr als drei Monate vom Schreiben ablenkten.
Zwar habe ich viele starke Eindrücke und Kraft von den Reisen und Aktivitäten mitgebracht, Notizen, Fotos, Zeichnungen, doch als ich mich wieder in mein Büro setzte, musste es – schon wieder! – zuerst einmal geputzt werden, tote Fliegen lagen vor der Fensterfront, Staubbällchen flogen zart am Fussboden die Wand entlang. Dabei hatte ich doch erst vor einem Monat, bei einem Zwischenstopp zu Hause das Büro geputzt. Würde ich von nun an das Büro nur noch putzen? «Will ich wirklich diese seltsame Idee, ein Buch über Erzählungen zu schreiben weiterverfolgen?»
Waren nicht andere Ansätze für diesen dritten Teil der Trilogie des «Pilgerwegs», mit dem Arbeitstitel «Freundschaft Genossin» besser gewesen? Sollte ich neu beginnen? Oder vielleicht lieber einen Quantensprung machen und aus dem dritten Teil einen Gedichtband machen? Ich hatte in den letzten Monaten unterwegs sehr viel gelesen und war, nach langer Zeit, wieder auf die Dichte der Gedichte gestossen. Und zwar in einem Buch über die Dinge und ihr Gegenteil, den beständig vorhandenen Informationsfluss verarbeitet von künstlicher Intelligenz: «UN-Dinge» vom (deutschsprachig schreibenden) Philosophen Byung-Chul Han. In diesem findet sich auch ein Plädoyer für das Gedicht, als einem «Ding» der Literatur.
Die Kur
Es war eine mühsame Woche – ich stellte meinen Arbeitsplatz, dann mein ganzes Büro um. Am Ende brachte ich Ordnung in den grossen Schrank – alles Arbeiten, die mich immer weiter ablenkten. Ich konnte mich nicht im Arbeitsalltag des Schreibens einfinden. Als ich auf dem neuen, improvisierten Büro-Sofa sass und mich umschaute, spürte ich der Selbst-Diagnose nach: «Zu viele Selbst-Zweifel, Minderwertigkeitsgefühl». Ein gutes Hilfsmittel, wenn diese störenden, aussaugenden Ideen des «Ich kann es nicht», «Ich bin nicht gut genug», «Eine gute Karriere als Schriftstellerin habe ich grossräumig verpasst» und vieles mehr an selbstverkleinernden Gedanken auftauchen, ist Folgendes: Ich öffne eines meiner Bücher oder eines der Bücher, die ich im Laufe der Jahrzehnte übersetzt habe, und von denen Ansichtsexemplare in meinem Büro stehen.
Ich öffne das Buch an irgendeiner Stelle. Diesmal öffnete ich den «Pilgerweg heim» – las darin, wurde erfasst von dem Fluss der Geschichte, weiter- und fortgetragen auf sicheren Boden. «Was für eine wunderbare Geschichte!» dache ich und: «Ich hatte diesen Teil ganz vergessen!».
Entspannt und gestärkt Boden konnte ich danach am Schreibtisch sitzen, die Gelbfarbigkeit der Herbstblätter in der Oktobersonne geniessen, aufschauen, erste Sätze schreiben.
Sanft beginnen, mich nicht gleich überfordern, nicht gleich die «Worte auf dem Wind» schreiben wollen, oder sie «in einer Geschichtslosigkeit verharren lassen», wie ich es mir im August wünschte.
Ich holte heute die letzten beiden Erzählungen von «Freundschaft Genossin» aus dem digitalen Ordner hervor, ein erstes virtuelles Blatt öffnet sich auf dem Bildschirm: Lesen, korrigieren – dann weiterschreiben.
In diesem Blog veröffentliche ich seit Jahren Nachrichten von meiner Schreib-Arbeit. Im Moment arbeite ich an einem dritten Teil der Romantrilogie „Der Pilgerweg heim“, mit dem Arbeitstitel „Freundschaft Genossin“.