Karin Koppensteiner 20.12.2024 Allgemein Keine Kommentare
Die Worte, die ich schreibe, formen Bilder. Die aufeinander folgenden Buchstaben erschaffen Laute. Die Satzzeichen sind winzige Orte der Stille. Farben erscheinen als Wörter, heben sich hervor und verschwinden, nachdem sie ihre Bedeutung zurückgelassen haben.
Ein Absatz: Neuerlicher Moment der Stille. Es folgen wieder Klang und Bewegung.
Diese abstrakten Wellenformen von Lauten, Silben, Satzzeichen, Buchstaben, Wörtern, Sätzen, Manuskriptseiten, Kapiteln, Büchern und Bibliotheken sind für mich Klang und Stille, laut und leise schwingende Welten. Sie verweilen, manchmal, auch ohne aus sich selbst heraus erscheinende Bedeutung. Erst das Lesen erschafft den Sinn. Die Leserin und der Leser erschaffen die Geschichte.
Worte sind für mich festgeschriebener Klang, auch vergangener, verwehter.

Wenn ich mich zu sehr und zu oft in deren Klangfeldern der Sprache aufgehalten habe, werde ich der Symetrie des Aufschreibens, der kodierten Abfolge von links oben nach rechts unten überdrüssig. Im monatelangen Schreiben geschieht es, dass irgendwann die Wörter noch in den Träumen von links nach rechts durchs Traumbild fahren, wie kleine Fahrzeuge. Meine Traum-Augen folgen den Silben und Wörtern. Dann entsteht manchmal Überdruss und ich will keine Wörter mehr schreiben. Gut, wenn die Erzählung an diesem Punkt bereits zu Ende geschrieben ist. Wenn nicht, bedeutet das für einige Zeit innezuhalten, eine Schreibpause einzulegen.
Die vollständige Wortlosigkeit hingegen, welche die Arbeit an einer dreidimensionalen Skulptur mir schenkt, kennzeichnet meinen Rückzug aus der Textur der Wörter. Beim Herstellen von Keramik-Objekten bin ich still, mit dem Material beschäftigt, erzähle ich keine Geschichten.

Die Skulpturen sind von Anfang an Gebilde der Erde und der Tonlosigkeit, bedingungsloses Schweigen, geboren in einem klar definierten Raum. Die Zeichen, die ich in jenem Arbeitsprozess setze, stehen jeweils allein und sprechen direkt, und für sich. Das Ergebnis dieser Art von Arbeit ist über alle Sprachbarrieren hinweg klar sichtbar. Keine Übersetzung ist notwendig.
Ein Teil dieses Blog-Beitrags steht als Text auch im Menüpunkt ‚Das Buddhi Projekt‘. Ich wollte hier ein wenig über Wort & Skulptur reflektieren, zwei wichtigen Themen in meiner künstlerischen Arbeit.
Karin Koppensteiner 22.05.2019 Allgemein Keine Kommentare
Diesmal gibt es hier im Blog anstatt eines theoretischen einen praktischen Beitrag: Ich veröffentliche einen Tagebuch-Eintrag aus meinem Arbeitstagebuch.
Warum ich schreibe und Keramik mache Schongau, 22. Mai 2019
Geschichten zu erzählen, das ist mein Beruf. Ich mache das, seit ich neunzehn Jahre alt war. Manchmal benötigen die zu erzählenden Geschichten einen «Rahmen», der zu groß für mich ist. Beispielsweise beim Filmen – da waren die Produktionskosten und –Bedingungen zu komplex und finanzaufwendig für meine Möglichkeiten. Deshalb habe ich mit dem Filmemachen aufgehört. Es hat mich, als Arbeiterkind im Wien der 1950er Jahre aufgewachsen, überfordert.
Damit kam ich nach der Filmakademie mit etwa 23 wieder zurück beim Schreiben. Die kurzen „Rock-Lieder“ der frühen 1980er Jahre sollten vor Publikum vorgetragen werden, mit Musik. Ich bemerkte nach den ersten Performances, dass es mich nicht nach «einem Auftritt» verlangte – im Gegenteil.
Beim Schreiben von einem Artikeln und anderen kurzen Stücken, bis hin zum Roman, bleibt «mein Gesicht verdeckt» – ich kann in einer Anonymität arbeiten, die mir gut tut, in der ich mich ganz der Geschichte widmen kann.
Aber in der Kunst des Schreibens – jenseits vom Journalismus, wo ich Auftragsarbeiten machte – bin ich selbst die Auftraggeberin. Ich selbst soll also dafür sorgen, dass die Geschichten zu ihren LeserInnen finden. Für ein Jahrzehnt hatte ich einen Literaturagenten, das hat mir das Schreiben einfacher gemacht. Kommt noch dazu, dass, je grösser die Form, also in dem Falle, je länger das Textformat – Extremform: Roman – umso länger sind die Perioden des Alleinseins beim Arbeiten. Das fertige Ergebnis wird erst nach Monaten oder Jahren das erste Feedback finden.
Es erscheint mir heute rückblickend notwendig und wirkt logisch, daß ich vor 19 Jahren «zur Erde zurückgekehrt bin». Ich begegnete den Keramik-Skulpturen des damals in der Schweiz lebenden Koreaners Seung Ho Yang in einer Galerie. Sie weckten meine neue Leidenschaft: bald begann ich Lehm, Tonerde, zu Werkstücken zu formen und im offenen Feuer zu brennen. Dabei absolvierte ich eine fast dreijährige Ausbildung. Ich war zu sehr professionelle Künstlerin, als dass ich mich meinem neuen Medium ohne entsprechender Wertschätzung, sprich Unterricht, zuwenden wollte.
Ab der Jahrtausendwende begann für mich eine Zeit, in der ich Werkstücke herstellen konnte, die schnell sichtbar wurden und für sich selbst standen. Skulpturen erzählen keine Geschichten, sie definieren einen Raum.
Irgendwann fehlte auch wieder das Schreiben. Geschichten, die ich sah, wollte ich erzählen. Es ist ein völlig anderes Arbeiten erzählend Geschichten und ihre Darsteller in die Welt zu setzen, als Skulpturen in einen Raum. Das Buddhi-Projekt begann auf diese Weise. Ich wollte nicht mehr zwei getrennte Kunstschaffens-Welten haben und sie separat betreten müssen.
Seit dem Frühlingsanfang gibt es in meinem Studio im ehemaligen Bienenhaus einen Neuanfang – ich habe in das Büro – ein Schreibtisch mit Computer, ein Schrank, Regale- noch einen zweiten großen Tisch gestellt. Dort soll, nach langer Pause, wieder Keramik entstehen – doch nur für mich, im kleinen Rahmen.
Die Geschichten folgen dem Ding nach – in der Skulptur. Während die traumhaften Geschichtswolken der Kunst des Schreibens vorauseilen.