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Inter-Being

27.12.2021 Allgemein Keine Kommentare

Zutiefst miteinander verwoben sein

Der Begriff «Interbeing», ist ein neuer und komplexer Fachbegriff. Ursprünglich vom vietnamesischen Mönch und späterem Friedensnobel-Preisträger Thich Nhat Hanh geprägt, oder «erschaffen» wird dieser Begriff mittlerweile breit gestreut in Philosophie, Ökologie, Ökonomie und Tiefenökologie und deren Mischgebieten verwendet.  Die von Thich Nhat Hanh in den Neunzehnhundertsechzigerjahren während des Vietnamkrieges ins Leben gerufene Bewegung nannte er «Order of Interbeing», deutsch: «Orden des Inter-Seins».  Es geht dabei um «Engaged Buddhism», also «Buddhismus, der eingreift».  Schon öfter habe ich mich gefragt, warum dieser Begriff so populär geworden ist, obwohl nicht sehr klar scheint, was er eigentlich bedeutet. Denn eigentlich mischt sich Buddhismus nicht ein.

In diesem BLOG-Beitrag will ich Einblick geben in die Art, wie meine tägliche Arbeit als Kunstschaffende vor sich geht, wenn ich gerade nicht schreibe. Denn ich lese und studiere fast täglich einige Stunden. Für mich ist «ständiges Weiterlernen» so wichtig wie meine Nahrung. Zum Schreiben gehört für mich das Lesen. Ich lese sehr viel über Philosophie, Buddhismus, Ökologie. Der Begriff «Interbeing» tauchte in den vergangenen Jahren vielerorts auf. Ich finde ihn in der ökologischen Ökonomie des Charles Eisenstein ebenso wie in der «Tiefenökologie» bei Joanna Macey, in philosophischen Essays und bei Ankündigungen von Achtsamkeits- oder Meditations-Retreats.

Der Begriff «Interbeing» begleitet mich seit Jahrzehnten. Er ist sicherlich durch die wissenschaftliche Erklärung der «Systemtheorie» erweitert und dadurch bekannter geworden.

Ich hatte das Glück beim Umzug von «garudabooks», der Buchhandlung meines Mannes, in der Abteilung für alte Bücher, eine erste englischsprachige Fassung der Statuten und Grundlagen für den «Order of Interbeing» zu finden. So konnte ich mir ein direktes Bild davon machen, wie der Zen-Meister Thich Nhat Hanh diesen Begriff ursprünglich verwendete und was er genau damit meint. Als ich das Buch in mein Büro mitnahm und darin las, machte ich mir für meinen Ordner «Material für Freundschaft Genossin» Notizen und Exzerpte. Dabei kam mir die Idee, Teile davon in diesem Blog zu veröffentlichen. Für diejenigen, die mehr über meine Arbeit erfahren wollen ist das sicherlich ebenso interessant wie für jene, die sich für das Konzept, den Begriff «Interbeing» interessieren. Deshalb beschreibe ich kurz, was dieser Begriff «Interbeing» alles zu bieten hat. Es sind Auszüge aus dem ersten Kapitel dieses Buches «The meaning of tiep hien»

Tiep hien ist ein vietnamesischer buddhistischer Begriff, für den es scheinbar keine andere Übersetzung in westliche Sprachen gab als «Interbeing». Er besteht aus tiep, was soviel wie «in Kontakt oder Berührung sein mit» bedeutet, und auch: «fortsetzen». Der Begriff hien kann als «Erkenntnis» oder auch «etwas jetzt hier tun» übersetzt werden.

Das, womit wir «in Kontakt sein» sollten, ist die Realität, lese ich in der Beschreibung des Autors über seine Wahl der Übersetzung und der Begriffe. Und zwar im Kontakt mit der Realität der Welt und der Realität unseres Geistes. Wer sich dieser Realität bewusst ist und in Verbindung steht mit den Prozessen, die sich innerlich auf unserer geistigen Ebene abspielen, kommt früher oder später in Berührung mit dem was wir unsere wahre geistige Fähigkeit nennen könnten, «True Mind» in der englischen Version der Übersetzung. Zu viele Menschen, so heisst es, unterscheiden zwischen einer inneren Welt des eigenen Geistes und der Welt «draussen». Doch diese Welten seien keinesfalls getrennt. Mit der Realität der Welt in Kontakt zu sein bedeutet, mit allem, was rund um uns besteht, in Kontakt zu sein, mit Glück und Leiden. Zusammenfassung: «Wenn wir die Welt verstehen, verstehen wir auch unseren Geist. Das wird die «äussere Einheit von Geist und Welt genannt».

Was das Konzept von «Fortsetzung» betrifft, so bedeutet tiep zwei Stricke zusammenzubinden, um daraus ein noch längeres Seil herzustellen. Hier gehe es um die ‘Ausweitung der Laufbahn der Erleuchtung, die mit den ersten Buddhas und Bodhisattvas begonnen hat’.

Hien bedeutet «zu verwirklichen», nicht in der Welt von Doktrinen und Ideen gefangen zu sein, sondern stattdessen Verwirklichung und Mitgefühl als Realität zu leben. Es bedeutet nicht, zuerst zu handeln, sondern zuerst sich selbst zu verändern. Wenn wir Freude und Glück mit anderen teilen wollen, dann ist es notwendig, dass zuerst Freude und Glück in uns selbst entstehen.

«Hier und jetzt tun» ist der vierte der Begriffe, aus denen «Interbeing» ursprünglich besteht. Nur der gegenwärtige Moment steht uns als unsere Realität zur Verfügung. Der Friede, nach dem wir uns sehnen, befindet sich nicht in einer fernen Zukunft, sondern ist etwas, das wir nur im gegenwärtigen Moment verwirklichen können.


 

Quelle: «Interbeing. Fourteen Guidelines for Engaged Buddhism” Thich Nhat Hanh, Parallax Press 1987

 

 

Heute beginnt das Experiment «Freundschaft Genossin»

01.02.2021 Allgemein Keine Kommentare

 

Mission Statement

Im literarisch-experimentellen Projekt «Freundschaft Genossin» will ich wieder auf verschiedenen Ebenen forschen. Wie schon bei der Arbeit an den beiden vorhergegangenen Teilen der Roman-Trilogie «Der Pilgerweg heim» und dem kürzlich erschienenen «Bonsai» beginne ich mit wenigen Vorgaben und beobachte, wie sich der Arbeitsprozess entwickelt. Diesmal will ich mich mehr mit der aktuellen sozio-politischen Situation beschäftigen, in der wir leben. Ich mische mich als Schriftstellerin ins Tagesgeschehen ein. Ausdruck davon ist auch die neu erstellte Facebook Seite «Freundschaft Genossin», die sich aber noch bewähren muss.

Themen, die von Anfang an für mich in diesen dritten Teil der Trilogie gehören, die Antrieb für mein Schreiben sind: Kollektiv, Solidarität, bewusste und unbewusste Verbundenheit verschiedener Generationen, Friedensarbeit.

Buddhistischer Grundlagentexte für diesen dritten Teil sind das Bodhisattvacharyavatara von Shantideva, ein buddhistischer Text aus dem Indien des 6. Jahrhunderts und verschiedene Kommentare dazu.

Bücher die ich für mein neues Projekt studierte sind von der Biologin Lynn Margulis – Evolutionstheorie und Gaia-Theorie, Charles Eisenstein – Ökonomie und neuer Ansatz zur Tiefen-Ökologie und Klimachaos. Verschiedene Bücher/Texte zum Thema Ökologie (vor allem: des Waldes) und über Bakterien habe ich teils schon gelesen, teils sind sie noch auf der Leseliste für die kommenden Monate.

Es geht mir bei dieser neuen Kunst-Arbeit darum zu erkunden, wie wir Menschen des beginnenden 21. Jahrhunderts in der Schweiz unsere tiefen sozialen Bedürfnisse nach Verbundenheit, oder Eingebunden-Sein ins Umfeld und die dazu gehörende innere Freundlichkeit nähren, oder eben nicht.

Übungen aus dem Buddhismus: während der Arbeit an diesem Buch, für den Schreibprozess und als dessen Ergänzung praktiziere intensiver als sonst verschiedene Übungen zum Mitgefühl, das sind eigentliche Grundlagenübungen der Ethik, die ich sowohl in Meditations-Sessions aber vor allem im Alltag vermehrt anwenden will, ebenso wie meine tägliche Dzogchen Praxis.